Sonntag, 20. Dezember 2015

Moderne Zeiten

Jeder möchte ewig leben, aber keiner möchte alt werden. Und während der moderne Mensch altert, ahmt er in lächerlicher Art und Weise das Verhalten junger Menschen nach. Die Menschen werden immer älter, die Beziehungen immer schnelllebiger. Die Ehe immer riskanter, unsere Einsamkeit angesichts scheiternder Beziehungen immer offensichtlicher. Paradoxerweise scheinen am ehesten diejenigen die Ehe als Institution zu schätzen, die sich nicht trauen.

Wie aber ist unsere Einsamkeit bedingt? - In unserem falschen Verständnis von Freiheit: Der moderne Mensch sieht seine Freiheit in der Bindungslosigkeit, nur als "Single" glaubt er seine Bedürfnisse jederzeit befriedigen zu können. Der Preis seiner vermeintlichen Freiheit aber ist die Einsamkeit - und die daraus resultierende existentielle Angst.

Der moderne Mensch möchte sich selbst erfinden, er möchte seine Grundsätze je nach Interessenlage selbst definieren. Gegenüber moralischen Leitlinien und religiösem Codex fühlt er sich wie einer der "Väter der Aufklärung" und führt sie ad absurdum. Der moderne Mensch ist areligiös und hält den Glauben für das Gegenteil von Vernunft. Auf Anraten der Wissenschaft hat er der Seele abgeschworen ist somit durch und durch Materialist. Ohne Seele ist ihm der Zugang zu jahrtausendealten, spirituellen Weisheiten erschwert.

Die letzte Bastion gegen jene Wissenschaft, die die Welt entzaubert, war die Romantik gewesen. Heute nennt sich jeder Romantiker, der nicht gerade durch "Kopfgeburten" glänzt. Jeder, der Mathematik hasst, nicht so recht weiß, was er will und seine Entscheidungen mehr durch ein Bauchgefühl begründet als durch Vernunft, hält sich heutzutage für einen Romantiker.

Der moderne Mensch würde sich als areligiös bezeichnen, in Wirklichkeit ist er es nicht: Seinen Glauben an Gott ersetzt er durch einen primitiven Glauben an selbstgeschaffene Götzen: Er glaubt an Macht, das Kapital, die Wissenschaft, die Astrologie etc. Er ist esoterisch veranlagt und sucht sich einen Glauben, der am ehesten seinen Bedürfnissen entspricht. Er betet nicht, aber, um zur Besinnung  zu kommen oder Erleuchtung zu erlangen, zieht er sich dennoch ins Kloster zurück oder begibt sich auf den Jakobsweg.

Die moderne Frau ist "emanzipiert": Der Feminismus überfordert sie und verunsichert den modernen Mann. Die Familien werden durch schwammige, neue Rollenbilder destabilisiert. Die einzigen Familien die heute "zusammenhalten", sind Patchwork-Familien.

Der moderne Mensch ist neurotisch und depressiv. Weil er sich seine seelische Verletztlichkeit nicht eingestehen kann, leidet er lieber an einem öffentlich anerkannten "Burn-Out" statt an einer stigmatisierenden "Depression".

Die moderne Medizin hat das Bewusstsein für Krankheiten geschärft. Die Therapiekonzepte werden immer ausgereifter, aber auch für Krankheiten, die "per definitionem" über Nacht entstehen. Unglückliche, kranke und unverstandene Menschen finden sich in diesen medizinischen Diagnosen wieder und sind bereit das Pathologische zu akzeptieren, wenn sie denn dadurch Verständnis erfahren und geschützt werden. Räume für Krankheiten werden geschaffen, in denen man nach Lust und Laune einen "Krankheitsgewinn" erzielen kann.

Der moderne Mensch ist durch soziale Netzwerke jederzeit mit anderen vernetzt und soll sich niemals alleine fühlen. Seine Einsamkeit, die ihm sein falsches Verständnis von Freiheit (Bindungslosigkeit) beschert hat, versucht er durch künstliche Beziehungen im Internet zu überwinden. Jederzeit ist er bereit Freud und Leid dem Rest der Welt zu mitzuteilen. Der moderne Mensch kennt keine Geheimnisse.

Der moderne Mensch ist Wutbürger: Er liebt "shitstorms" und entrüstet sich gerne, wodurch er sich wahrnimmt und von anderen wahrgenommen wird. Weil er keine Wertschätzung erfährt, muss er sich entrüsten, um sich zu spüren. Er "muss" andere degradieren, um sich wertvoller zu fühlen.

Es sind..moderne Zeiten.

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